Die 4 Geheimzutaten für eine unvergessliche Learning-Experience

Unser Hirn ist sensationslüstern: Es tendiert dazu, sich immer nur die Rosinen rauszupicken.
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Unser Hirn ist sensationslüstern: Es tendiert dazu, sich immer nur die Rosinen rauszupicken.

Wann immer es sich an etwas Bedeutendes erinnert, wählt es nur die intensivsten Momente aus – und deren Ende. Dieses Phänomen der Wahrnehmungspsychologie heißt Peak-End-Rule, zu Deutsch „Spitze-Ende-Regel“.

Es hängt also nicht davon ab, wie gut oder schlecht wir ein Erlebnis über den gesamten Zeitraum erleben. Für die nachträgliche Bewertung sind in erster Linie die Erinnerung an einzelne Höhepunkte (Spitzen) und an das Ende ausschlaggebend. Beschrieben hat dieses Phänomen übrigens der in Israel geborene US-Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann.

Was können Learning-Experience-Designer:innen daraus lernen?

Als Learning-Experience-Designer:innen lernen wir, dass es wichtig ist, Spitzen und ein Ende zu kreieren, damit das Gelernte in Erinnerung bleibt.

Klingt einfach. Oder auch nicht.

Üblicherweise designen wir Lernerfahrungen so, dass die Teilnehmenden oder Studierenden sich wohlfühlen, statt Peak-Momente zu erschaffen. Alles muss perfekt vorbereitet sein: Super ausgestatteter Raum, perfekte Slides, die Präsentation kommt aus dem Effeff. Und was erreichen wir damit? Spitzen? Erinnerung? Wohl kaum.

Wie kann es uns also gelingen, Peaks zu erschaffen?

Rodrigo J. Gallego hat in seinem Artikel „Four Ingredients for a Memorable Learning Experience“ 4 Zutaten identifiziert.

1. Geheimzutat: Vom Drehbuch abweichen

Wann immer wir etwas erleben, haben wir eine ganz konkrete Vorstellung davon, was passieren wird. Unsere Erlebnisse folgen einem Drehbuch. Um jedoch Peaks zu erleben, muss etwas Unerwartetes passieren.

Gallego berichtet etwa von seiner Arbeit als Experience-Designer für ein Interaktives Museums in Mumbai. Was jeder erwartet, wenn er ein Museum betritt: Stille und Andacht. Mit Fremden darüber zu sprechen, was wir beim Betrachten eines der Kunstwerke empfinden? Unvorstellbar.

Doch dieses Museum ist anders: Hier geht es genau darum, also sich mit anderen auszutauschen und zu verbinden. Jeder Raum des Museums erzeugt eine andere Stimmung, und die Regeln, die in jedem Raum zu befolgen sind, ändern sich. In einigen muss der Besucher laut sprechen. Eines steht fest: Der Besuch in diesem Museum wird sicher in Erinnerung bleiben.

2. Geheimzutat: Unerwartete Offenbarungen

Es sind die Aha-Momente, von denen hier die Rede ist. In einem Moment warst Du noch zutiefst von etwas überzeugt – doch plötzlich stellt Du fest: Es ist eigentlich ganz anders.

„Magische Momente des Lernens“ nennt mein geschätzter Kollege Prof. Dr. Markus Prandini diese Erlebnisse. Sie sind es, die Lernende veranlassen, Ihren Blick auf die Welt zu verändern. Sie sind unbeschreiblich, aber jeder, der so etwas schon einmal erlebt hat, weiß, was gemeint ist. Es ist eine ganz persönliche Erfahrung.

Auch hier beschreibt Gallego ein sehr eindrucksvolles Beispiel: Im Rahmen eines Diversitätsworkshops für ein großes Tech-Unternehmen bat er die Teilnehmenden, verdeckt jeweils 5 Begriffe aufzuschreiben, die sie mit dem Begriff Diversität in Verbindung bringen.

Anschließend wurden die 80 Teilnehmenden gefragt, wie viele Personen in der Gruppe ihrer Meinung nach die gleichen Begriffe aufgeschrieben haben. Alle Teilnehmenden waren überzeugt: Mindestens 4 Personen würden übereinstimmen.

In Wirklichkeit gab es nur eine einzige Übereinstimmung.

Ein Aha-Moment! Warum? Weil er offenbart: Wie kann ein Unternehmen daran arbeiten, den Umgang mit dem Thema Diversität zu verbessern, wenn die Mitarbeitenden nicht die gleiche Sache im Kopf haben?

3. Geheimzutat: Mit allen Sinnen

Kennst du das? Du hörst im Radio ein Lied, sagen wir mal aus den 80ern (Yes, Boomer!). Und sofort weißt Du, wo Du diesen Song das erste Mal gehört hast. Wie das Wetter an dem Tag war. Vielleicht, wie es dort gerochen hat.

Wenn beim Lernen die 5 Sinne angesprochen werden, dann erzeugen wir einen Peak. Am stärksten ist bei uns Menschen übrigens der Sehsinn ausgeprägt. Alle anderen Sinne werden nur nachrangig behandelt.

Also vielleicht verbindest Du beim nächsten Workshop einfach mal die Augen der Teilnehmenden und beraubst sie so ihres am stärksten ausgeprägten Sinnes. Alle werden sich wundern, welch einzigartige Erfahrung dies ist – und das ganz besonders, wenn unterschiedliche Kulturen unter den Teilnehmenden vertreten sind.

4. Geheimzutat: Der Moment der Entblößung

Oha, Entblößung. Das klingt – sagen wir mal: unangenehm. Und so ist es tatsächlich auch gemeint.

Wenn LX-Designer:innen produktiven Druck erzeugen, etwa dadurch, dass Studierende ein Projekt oder eine Idee vorstellen müssen, dann designst Du genau diese Momente. Das können auch „Mikro-Momente“ sein. Zum Beispiel, wenn Du Icebreaker-Situationen schaffst, in denen sich Studierende vorstellen müssen.

Denn: Was wäre etwa ein Cellist, der nie vor Publikum auftritt und sein Leben lang nur übt?

Genau deshalb braucht es diese Momente der Entblößung.

Foto: Valeriia Miller von corelens (canva.com)

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