Der Ästhetik-Usability-Effekt

Erfahre hier, warum attraktives Design unter Umständen die Ergebnisse Deiner User-Tests verzerren kann.
Inhalt

Was ist der Ästhetik-Usability-Effekt?

Der Ästhetik-Usability-Effekt besagt, dass Nutzer:innen ein attraktives Produkt als nützlicher empfinden als ein weniger ansprechendes Produkt. Menschen glauben also, dass Dinge, die besser aussehen, auch besser funktionieren – auch wenn sie eigentlich eher effektiv als effizient sind, die Nutzenden ihre Aufgabe damit zwar abschließen können, die aber Umständen recht umständlich ist.

Anders ausgedrückt: Wenn Deine Website oder Dein digitales Produkt ein ansprechendes UI-Design hat, dann sind die Menschen toleranter gegenüber kleineren Usability-Problemen.

Auch wenn dieser Effekt erst einmal harmlos klingt: Er kann großen Einfluss auf die Ergebnisse Deiner User Research haben. Aber dazu weiter unten dann mehr.

Ästhetik-Usability-Effekt

Woher stammt der Ästhetik-Usability-Effekt?

Der Effekt wurde erstmals 1995 auf dem Gebiet der Mensch-Computer-Interaktion untersucht. Die beiden Forscher Masaaki Kurosu und Kaori Kashimura des  Hitachi Design Center testeten 26 Varianten eines User Interfaces für Geldautomaten.

Dazu ließen sie 252 Studienteilnehmende jedes Design nach Benutzerfreundlichkeit und Ästhetik bewerten.

Das Ergebnis: Die beiden Forscher fanden eine stärkere Korrelation zwischen den Bewertungen der Teilnehmer in Bezug auf die Ästhetik und die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit als die Korrelation zwischen den Bewertungen der Ästhetik und der tatsächlichen Benutzerfreundlichkeit.

So kamen Kurosu und Kashimura zu dem Schluss, dass User stark von der Ästhetik beeinflusst werden, selbst wenn sie versuchen, die zugrunde liegende Funktionalität zu bewerten.

Der Ästhetik-Effekt hat seine Grenzen

Die gute Nachricht ist aber: Der Effekt der Ästhetik auf die Benutzerfreundlichkeit hat seine Grenzen. Zwar kann ein ansprechendes Design dazu führen, dass die User kleinere Probleme mit der Benutzerfreundlichkeit verzeihen.

Bei größeren Problemen kann jedoch auch das Design nicht darüber hinwegtäuschen. Denn dann verlieren die Benutzer:innen oft die Geduld, verlassen die Website oder löschen die App.

Was bedeutet der Effekt für Deine User Research?

Wichtig ist erst einmal, dass Du Dir als User Researcher dieses Biases bewusst bist. Und ganz ehrlich: Wenn Dein UI-Design als ästhetisch ansprechend wahrgenommen wird, dann ist das ja auch erstmal ein tolles Lob. Andererseits kann der Ästhetik-Usability-Effekt nun einmal dazu führen, dass Dir kleine Probleme mit der Usability verborgen bleiben.

Was kannst Du also tun? Angenommen, Du führst ein qualitatives Usability-Testing durch. Während des Testings stellst Du fest, dass Deine Testperson mit zahlreichen Aufgaben Probleme hat, die finale Bewertung oder Kommentierung sich aber auf die Attaktivität Deiner Website bezieht. In dem Fall solltest Du aufhorchen. Denn es gibt 3 Möglichkeiten:

  1. Die Testperson fühlt sich unter Druck, irgendetwas zu sagen – egal was. Gerade neue Testpersonen beziehen sich dann oft auf das Aussehen, da dies am einfachsten zu bewerten scheint.
  2. Die Testperson fühlt sich unter Druck, etwas Nettes zu sagen. Solche „leeren“ Komplimente werden oft dann gemacht, wenn die Testperson glaubt, dass der Researcher an der Umsetzung der Site beteiligt war.
  3. Der Ästhetik-Usability-Effekt hat zugeschlagen. Wenn Du die ersten beiden Ursachen ausschließen kannst und Du gleichzeitig merkst, dass es eine Diskrepanz zwischen den Ergebnissen der Taskausführungen und der Bewertung gab, dann kann es sein, dass der Effekt das Ergebnis verzerrt.

Fazit

Was immer Deine User im User-Testing sagen: Viel wichtiger ist das, was Du beobachtest, während sie eine Aufgabe ausführen. Sei Dir dieser möglichen Verzerrung immer bewusst. Aber ziehe daraus nicht den Schluss, dass Deine Website oder Dein digitales Produkt nicht attraktiv UND user-freundlich sein dürfen.

Quelle: Kate Norman (Norman Nielsen Group). The Aesthetic-Usability Effect

Das könnte Dich auch interessieren: